Der stete Kampf gegen Leukämie
An der FOS/BOS in Neumarkt gibt es außergewöhnlich viele Lebensretter
Und tatsächlich: 1453 Schülerinnen und Schüler haben sich seit 2015 bei der DKMS registriert, zwölf haben bereits Stammzellen gespendet. Ende Februar wurde die Schule für ihren „außergewöhnlichen Einsatz“ erneut mit einer Urkunde der DKMS geehrt. Dass die Schule sich so engagiert, hat einen traurigen Hintergrund.
Schulleiter Markus Domeier hat seine erste Frau im Jahr 2012 an den Krebs verloren – sie war selbst Lehrerin an der FOS/BOS. „Ich habe das an der Uniklinik in Erlangen selbst mitbekommen, was es bedeutet, auf einen Stammzellenspender zu hoffen, wie zermürbend das ist“, sagt Domeier. „Es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.“ Die Chance, bei Geschwistern fündig zu werden, liege bei etwa 25 Prozent, sagt der Schulleiter, „danach wird es knifflig.“
Natürlich ließ auch Domeier sich typisieren – seine Stammzellen passten allerdings nicht zu denen seiner damaligen Frau. Aber sollte es jetzt jemanden geben, der an Leukämie erkrankt und genau seine Stammzellen brauchen würde, so könnte man jederzeit auf die von Markus Domeier zurückgreifen.
Es kam aus dem Nichts
Erst durch die Krankheit seiner Frau nahm Domeier Leukämie bewusst wahr und stellte fest: „Es kann einfach jeden treffen.“ Und das ganz plötzlich, wie aus dem Nichts, ohne große Vorzeichen. So war es zumindest bei Domeier und seiner Frau. „Das hat wie eine Erkältung angefangen. Wir hätten nie gedacht, dass da so eine Diagnose nachkommt.“ Für seine Frau wurde schließlich ein Spender gefunden – sie starb dennoch, Krebs ist eine Krankheit, bei der viele Komponenten zusammenkommen.
Der Kampf gegen die Leukämie wirkte allerdings nach – Domeier begann, sich an der Schule für die DKMS einzusetzen. „Viele Schulen engagieren sich irgendwo und man kann das natürlich vielfältig tun“, sagt Domeier – für ihn aber ist der Kampf gegen Leukämie ein Herzensanliegen. Seit 2015 gibt es einmal im Jahr eine Typisierungsaktion mit der DKMS an der Schule, immer in der zwölften Klasse, schließlich müssen die Schülerinnen und Schüler volljährig sein. Erst gibt es in einer Schulstunde für alle einen Vortrag über die Krankheit und wie eine Spende abläuft, danach kann jeder selbst entscheiden, ob er sich registrieren lassen möchte.
Einer, der sich registrieren hat lassen, ist Moritz Thiem. „Es gibt eigentlich kein Gegenargument, es nicht zu tun“, ist der Schülersprecher aus der 13. Klasse überzeugt. „Das ist so eine gute und wichtige Sache, dass das fast selbstverständlich sein sollte.“ Die Typisierung in der Schule laufe maximal einfach ab, der Weg sei minimal. „Und man kann möglicherweise ein Leben retten.“
Fast wäre das auch bei Moritz Thiem so gewesen. Erst vor kurzem klingelte bei ihm das Telefon – die DKMS war dran. Für den Schüler war es erst mal überraschend, dass es jetzt wirklich soweit sein könnte, allerdings stellte er sich dann doch nicht als passender Spender heraus. Er hatte kurz zuvor eine Herzerkrankung, aufgrund eines Gutachtens des Kardiologen wäre eine Spende nicht vertretbar gewesen.
Hätte es gepasst, so wäre alles schnell gegangen. Markus Domeier hat es selbst bei seiner großen Tochter erlebt, die sich ebenfalls hat registrieren lassen und von der DKMS angefragt wurde: Nach dem Anruf folgt die Voruntersuchung beim Hausarzt, dann geht es zum Spenden. Alles innerhalb weniger Tage, im Zweifel muss es schnell gehen, Patientinnen und Patienten bleibt oft nur wenig Zeit. Aus diesem Grund fragt die DKMS parallel bei mehreren Spendern an, die in Frage kommen könnten – aus diesem Kreis wird nach den Voruntersuchungen der ideale Spender für den Patienten ausgewählt.
Auch Thiem wäre bereit gewesen, zu spenden, wenn alles gepasst hätte, darüber war er sich bereits bei der Typisierung sicher. Dass diese freiwillig abläuft und alle Schülerinnen und Schüler vorab genau informiert werden, ist Schulleiter Domeier wichtig. Niemandem soll etwas übergestülpt werden, niemand soll sich gezwungen fühlen. Durch die Informationen sollen aber auch Ängste genommen werden. „Da haben doch einige Angst davor, was so eine Spende eigentlich bedeutet.“
40 bis 60 Prozent machen mit
Dass Schüler die Aktion in Frage stellen, hat er noch nie gehört, eher ist das Gegenteil der Fall: „Bei manchen wird da ein Schalter umgelegt.“ Sprich: Sie setzen sich bewusst mit dem Thema auseinander, treffen dann selbst eine Entscheidung. Und es kommt auch Unterstützung aus der Schülerschaft: Bei der Typisierungs-Aktion helfen immer um die zehn Schülerinnen und Schüler mit. „Unsere Schülerinnen und Schüler sind sehr aufgeschlossen.“
Schlussendlich entschließen sich zwischen 40 und 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler für eine Spende – die Schwankungen liegen auch daran, dass sich einige bereits vor der Aktion in der Schule registrieren haben lassen, etwa bei Aktionen von Vereinen, die für ein erkranktes Vereinsmitglied einen Spender suchen.
Um die DKMS-Typisierungsaktionen auch finanziell zu unterstützen, organisiert die FOS/BOS außerdem Jahr für Jahr einen Spendenlauf, die Hälfte des Betrags, der zusammenkommt, erhält die DKMS, die andere die Bürgerstiftung. Knapp 55.000 Euro sind auf diese Weise allein für die DKMS zusammengekommen, sagt Domeier. Auf seine Schülerinnen und Schüler und ihr Engagement ist er stolz. Seine erste Frau wäre das sicher auch.
Hintergrundinformationen: Wie Typisierung und Spende ablaufen
Die Typisierung selbst ist denkbar einfach – es wird einfach nur mit einem Wattestäbchen ein Wangenabstrich genommen. Das Stäbchen wird dann an die DKMS zurückgeschickt. Die Typisierung ist jederzeit möglich: Registrierungs-Sets können bei der DKMS bestellt werden (dkms.de).
Vorbereitung: Wenn ein registrierter Spender für eine Patientin oder einen Patienten infrage kommt, meldet sich die DKMS. Dann wird zunächst eine Blutprobe benötigt, um sicherzugehen, dass die Person wirklich der bestmögliche Spender ist, hinzu kommen Informationsgespräche und Voruntersuchungen. Die Gesundheit des Spenders habe „höchste Priorität“, so die DKMS.
Spende: Wenn alles passt und die Bereitschaft nach wie vor da ist, folgt die tatsächliche Spende: Laut DKMS werden in 90 Prozent der Fälle Stammzellen aus dem Blut des Spenders gewonnen, man spricht von der „peripheren Stammzellspende“. Spenderinnen und Spender erhalten über fünf Tage hinweg ein Medikament, das für eine vermehrte Produktion von Stammzellen und deren Ausschwemmung in die Blutbahn sorgt, damit eine ausreichende Menge an Stammzellen über die Armvene entnommen werden kann.
OP: In zehn Prozent der Fälle müssen Stammzellen aus dem Knochenmark entnommen werden – ob das nötig ist, darüber entscheiden die Ärzte. Für die Entnahme aus dem Knochenmarkt ist laut DKMS eine kleine Operation unter Vollnarkose nötig. Zuvor wird nochmals abgeklärt, dass eine potenzielle Spende gesundheitlich unbedenklich für den Spender ist. Die Stammzelltransplantation beim Patienten ähnelt einer Bluttransfusion.
Text und Foto (ursprünglich erschienen am 09.03.2024) wurden uns freundlicherweise überlassen von der Lokalredaktion Neumarkt der Mittelbayerischen Zeitung, Frau Katrin Böhm.